Das Vegetative Nervensystem

Das Nervensystem des Menschen unterteilt sich in das Somatische Nervensystem, wiederum unterteilt in zentrales und peripheres Nervensystem, und das Vegetative, auch Autonome Nervensystem (VNS oder ANS). Das Vegetative Nervensystem reguliert unbewusst und unwillkürlich lebenswichtige physiologische Prozesse, die der Aufrechterhaltung des inneren Milieus und somit der Homöostase dienen. Hierzu zählen vor allem Herz- und Kreislauffunktion, Atmung, Körpertemperatur, Verdauung, Stoffwechsel und Sexualität. Es ist in seiner Funktion nur indirekt, z. B. durch Atemtechniken, Yoga oder psychologische Methoden, beeinflussbar.

Anatomischer Aufbau des Vegetativen Nervensystems

Das VNS besteht aus 3 Anteilen:

  1. dem Sympathikus: dieser ist im thorakolumbalen Grenzstrang verortet (erstes Neuron, Neurotransmitter Acetylcholin). In den paravertebralen Ganglien werden die meisten Fasern auf das zweite Neuron umgeschaltet (Neurotransmitter Noradrenalin, außer Nebennierenmark und Schweißdrüsen), dessen Fasern ihre Impulse direkt an die Zielorgane weiterleiten. Dies sind alle glatten Muskelfasern, das Herz, verschiedene Drüsen, Teile des Immunsystems sowie Leber- und Nierenzellen. Das Nebennierenmark stellt eine vom Sympathikus gesteuerte endokrine Drüse dar, die die Hormone Adrenalin und Noradrenalin direkt ins Blut sezerniert. Die Hauptaufgabe des Sympathikus besteht darin, den Körper auf Leistung vorzubereiten und die Stressreaktion einzuleiten.
  2. dem Parasympathikus: dieser ist im Hirnstamm und sakralen Rückenmark verortet (erstes Neuron, Neurotransmitter Acetylcholin) und wirkt als Gegenspieler des Sympathikus. Die Ganglien, in denen das erste aufs zweite Neuron umgeschaltet wird (Neurotransmitter ebenfalls Acetylcholin), liegen hier meist in der Nähe oder im Zielorgan. Dies sind die glatten Muskelfasern und Drüsen der inneren Organe. Seine Hauptaufgabe besteht in der Steuerung der Regeneration des Organismus.
  3. dem enterischen Nervensystem: auch Darmnervensystem genannt, ein vollkommen eigenständiges Regelsystem, das allerdings durch Sympathikus und Parasympathikus beeinflussbar ist. Seine motorischen und sensorischen Neurone liegen in den Wänden des Magen-Darm-Traktes und steuern vor allem den Verdauungsprozess. Als Neurotransmitter wirken vor allem Serotonin und Dopamin (anregend) sowie Stickstoffmonoxid und Vasoaktives intestinales Peptid (hemmend).

Die Spontanaktivität von Sympathikus und Parasympathikus sorgt für einen mittleren Grundtonus in den Zielorganen. Dort liegende sensorische Neuronen senden Rückmeldungen über die Wirkung der vegetativen Innervation ins Rückenmark, wo sie über einen autonomen Reflexbogen zur Organregulation verwendet werden. Übergeordnete Zentren in Hypothalamus, Formatio reticularis und Hirnstamm können diesen Reflexbogen schließlich für eine Anpassung an die aktuellen Anforderungen modifizieren.

Wirkungen des Vegetativen Nervensystems

Sympathikus

  • Bewusstseinsaufhellung
  • Weitstellung der Pupillen
  • Hemmung der Speicheldrüsen
  • Weitstellung der Bronchien
  • Beschleunigung des Herzschlags, Kraftsteigerung des Herzens, Weitstellung der Herzkranzgefäße
  • Weitstellung der Blutgefäße der Arbeitsmuskulatur, Verengung der Blutgefäße der Haut
  • Steigerung des Blutdrucks, Erhöhung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes
  • Hemmung von Gallenblase und Bauchspeicheldrüse, Anregung der Glukagonsekretion
  • Hemmung der Darmperistaltik
  • Füllung der Harnblase
  • Gefäßverengung in den Geschlechtsorganen

Parasympathikus:

  • Bewusstseinsminderung
  • Engstellung der Pupillen
  • Aktivierung der Speicheldrüsen
  • Engstellung der Bronchien
  • Verlangsamung des Herzschlags, Verengung der Herzkranzgefäße
  • Verengung der Blutgefäße der Arbeitsmuskulatur, Erschlaffung der Blutgefäße der Haut
  • Senkung des Blutdrucks, Verminderung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes
  • Aktivierung von Gallenblase und Bauchspeicheldrüse, Anregung der Insulinsekretion
  • Anregung der Darmperistaltik
  • Entleerung der Harnblase
  • Gefäßerweiterung in den Geschlechtsorganen

Krankheitsbilder

Die körperliche Seite psychischer Erkrankungen erklärt sich oft durch eine Auslenkung des vegetativen Nervensystems, so z. B. das Herzrasen bei Panikattacken oder der Harndrang bei Prüfungsangst durch eine Überaktivierung des Sympathikus. Bei psychosomatischen Erkrankungen stellt eine Fehlregulation des vegetativen Nervensystems häufig ein Affektäquivalent für eine dem Bewusstsein nicht mehr zugängliche Emotion dar, z. B. die Wut, die auf den Magen schlägt oder ein Schwindel als Ausdruck von Haltlosigkeit.

Das vegetative Nervensystem ist ein Bindeglied zwischen Psyche und Körper und zeigt auf, dass psychische Probleme nicht getrennt vom Körper betrachtet werden können und dass sich manche körperliche Beschwerden nicht ohne Berücksichtigung der psychosozialen Situation des Patienten verstehen lassen.