Konflikt-, Struktur- und Traumapathologie

Psychische Erkrankungen wie z. B. Depressionen und Angststörungen sind oft nur die Spitze des Eisbergs, darunter befindet sich immer ein beeinträchtigtes psychisches Funktionieren, das bei jeder Erkrankung und jedem Menschen individuell verschieden sein kann. Genauso wie jeder Magenschmerz verschiedene Ursachen haben kann – z. B. von einer Lebensmittelvergiftung bis zur Magenschleimhautentzündung – kann ein psychisches Symptom unterschiedliche Ursachen haben; man hüte sich vor vereinfachenden Ursachenzuschreibungen (nicht jeder Magengeplagte hat etwas Falsches gegessen, nicht jeder depressiv Erkrankte hatte zu viel Stress). Es gilt also, eine differenzierte Diagnostik durchzuführen, die manchmal mehrere Sitzungen benötigt und sich sogar im Therapieverlauf noch erweitern oder verändern kann. Hierfür ist ein differenziertes diagnostisches Modell notwendig, das in der psychodynamischen Psychotherapie der OPD-2 bietet. Mit ihm werden Beziehungsschwierigkeiten erfasst (Achse 2, siehe die vorangegangenen zwei Artikel) sowie Konflikt- (Achse 3) und Strukturpathologien (Achse 4). Eine weitere Dimension wird durch Wöllers Assoziationsmodell erfasst, das Traumafolgestörungen fokussiert.

Konfliktbedingte Störungen

Die ursprüngliche Psychoanalyse ist eine Konfliktpsychologie. Hier wird psychisches Leid als Folge widersprüchlicher innerer Bestrebungen verstanden, die nur über Symptombildung (das „Symptom als Kompromiss“) reguliert werden können. Verinnerlichte schwierige Beziehungserfahrungen der mittleren Kindheit und abwehrbedingten Einschränkungen von Erleben und Verhalten sind der psychodynamische Hintergrund, deren Reaktualisierung im Erwachsenenalter durch sog. „Versuchungs-Versagungssituationen“ zur Symptomentstehung führt.

Sigmund Freud konzipierte in seiner sog. 2. Topik ein Modell der Psyche, das aus den drei Instanzen Es – Ich – Überich besteht. Aus dem Es strömen die sog. Triebe, lustorientierte Regungen („Libido“), aus dem Überich moralische Forderungen, Gebote und Verbote, auf das Ich ein, dem eine vermittelnde Funktion, aber auch Realitätsprüfung, rational-kognitive Fähigkeiten und Abwehr zugeschrieben werden. Alle drei Instanzen verfügen über bewusste, vorbewusste und unbewusste Anteile, und es können Konflikte zwischen den Instanzen (intersystemischer Konflikt) sowie innerhalb einer Instanz (intrasystemischer Konflikt) entstehen.

Hinsichtlich der Bedürfniswelt des Es entwickelte Freud ein entwicklungspsychologisches Phasenmodell der Kindheit des Menschen. Auf verschiedenen Stufen (orale, anale, genitale Phase) dominieren unterschiedliche Bedürfnisqualitäten der Libido, einhergehend mit der kognitiven und motorischen Entwicklung des Kindes. Dieses Modell ist im Verlauf angepasst und ergänzt worden, z. B. durch die Erkenntnisse der Säuglingsforschung.

Der aus der psychoanalytischen Schule der Selbstpsychologie stammende Theoretiker J. D. Lichtenberg wiederum definierte fünf Grundmotivationen, die ebenfalls dem Es zugeschrieben werden können:

  • Befriedigung physiologischer Bedürfnisse
  • Bedürfnis nach Bindung
  • Bedürfnis nach Selbstbehauptung und Exploration
  • Bedürfnis nach Widerspruch und Rückzug
  • Bedürfnis nach sinnlichem Vergnügen oder sexueller Erregung

Theoretiker der Schule der Ich-Psychologie wie z. B. Anna Freud und Heinz Hartmann befassten sich schwerpunktmäßig mit dem Ich und trugen zur Differenzierung seiner Funktionen und Abwehrmechanismen bei. Während Hartmann vor allem die konfliktfreien Ich-Bereiche fokussierte – bei Sigmund Freud war das Ich noch ausschließlich Schauplatz der inneren Konflikte – untersuchte Anna Freud die Abwehrmechanismen und deren Entwicklung. Sie konnte verschiedene Abwehrmechanismen mit unterschiedlichem Reifegrad herausarbeiten. Ziel der Abwehr ist, das seelische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, innere Spannungen zu reduzieren und negative Gefühlszustände zu vermeiden.

Das Überich, das aus einem aggressiven (Gebote und Verbote, Gewissen) und einem libidinösen Teil (Ich-Ideal; Soll-/Ziel-Vorstellung seiner selbst) besteht, kann entwicklungsbedingten Einschränkungen ausgesetzt sein und so mehr oder weniger streng bzw. rigide disponiert sein. Im Überich finden insbesondere Repräsentanzen wichtiger Bezugspersonen Einzug.

Typische Konfliktkonstellationen bestehen zwischen Es und Überich (Trieb gegen Gewissen bzw. Moralvorstellung, z. B. bei Angststörungen), zwischen Überich und Ich (strenge Bewertung des eigenen Selbst, z. B. bei Depressionen) oder aber auch innerhalb des Es (z. B. Aggression gegen Bindungsstreben).

Gerd Rudolf fasst die Konfliktproblematik wie folgt prägnant zusammen: „[…] die Erfahrung, von wichtigen Bezugspersonen zurückgewiesen, übersehen, verachtet oder bestraft zu werden, kann die Folge haben, dass negative Affekte von Schmerz, Scham, Angst, Schuld usw. mit dem Wunscherleben verknüpft werden. Die negativen Affekte heften sich sowohl auf die zurückweisenden Objekte als auch auf das ohnmächtige zurückgewiesene Selbst mit der Folge, dass die heiklen Wünsche und Impulse gehemmt und die Erinnerungen an die negativen Erfahrungen mit Hilfe von Abwehrvorgängen aus dem bewussten Erleben ferngehalten werden.“ Daraus resultieren Einschränkungen in Verhalten und Erleben, aber auch die unbewusste Tendenz, neue Beziehungen auf Basis der gespeicherten Erfahrungen zu gestalten und so das zentrale Konfliktthema zu reinszenieren (sog. Übertragungsbereitschaft). Lebenssituationen mit Versuchungs-Versagungs-Charakter, die entweder das Abgewehrte (z. B. Wut, Bedürftigkeit, Sexualität; Versuchungssituation) anregen oder stark frustrieren (Enttäuschungssituationen, die die heimliche Hoffnung auf Wunscherfüllung endgültig begraben, z. B. Zurückweisungen, Kränkungen; Versagungssituation), labilisieren schließlich die Abwehr und führen zu Symptombildung.

Das Symptom als Kompromiss ist gleichzeitig Ausdruck einer entstellten Triebbefriedigung, eines Überich-Aspekts und der Abwehrbemühungen des Ichs zur Vermeidung von Unlustaffekten.

Zu den Abwehrmechanismen zählen:

Der OPD hat aus entwicklungspsychologischen Modellen und Bedürfnistheorien die sog. Grundkonflikte formuliert, deren Lösung jedem Menschen auferlegt ist, und die einer potentiellen pathologischen Entwicklung unterliegen können. Sie bestehen je aus zwei gegensätzlichen Polen, zwischen denen idealtypisch eine Flexibilität bestehen sollte; im Krankheitsfall findet sich eine einseitige, starre Auslenkung. Rudolf unterscheidet die Grundkonflikte noch in reifere und unreifere Konflikte; erstere sind mehr umschrieben, können als Narrative mentalisiert werden, liegen also in Form eindeutiger Selbst-, Objekt- und Beziehungsrepräsentanzen im episodischen Gedächtnis gespeichert vor und sind so Bewusstwerdung und Selbstreflexion zugänglich, während letztere eher in der vorsprachlichen Lebenszeit entstanden sind, wodurch sie grundsätzlicher, stark affektiv und mehr atmosphärisch sowie körpernah, wenig differenziert in Form von Repräsentanzen und schließlich im impliziten Gedächtnis abgelegt sind.

Die Grundkonflikte sind:

  • Individuation vs. Abhängigkeit
  • Autarkie vs. Versorgung
  • Dominanz vs. Unterwerfung
  • Selbstwert (Eigenwert vs. Fremdwert)
  • Schuld (egoistische vs. prosoziale Tendenzen)
  • Ödipal-sexuelle Konflikte
  • Identitätskonflikte

Rudolf fasst diese entwicklungspsychologisch zusammen in

  • den Grundkonflikt der Nähe (Individuation vs. Abhängigkeit): erstes Lebenshalbjahr
  • den Grundkonflikt der Bindung (Versorgung vs. Autarkie, depressiver Grundkonflikt): 2. Halbjahr bis 2. Lebensjahr
  • den Grundkonflikt der Autonomie (Unterwerfung vs. Kontrolle, Schuldkonflikt): 2. – 3. Lebensjahr
  • den Grundkonflikt der Identität (ödipaler Konflikt, Identitätskonflikt): 3. – 6. Lebensjahr

Das therapeutische Vorgehen bei Konfliktpathologien besteht vor allem darin, durch Deutungen das Unbewusste (ursprüngliche Bedürfnisse, Abwehr, moralische Gebote) bewusst und somit zugänglich zu machen, um einen reiferen Umgang mit den zugrundeliegenden Themenkomplexen (z. B. Nähe-/Versorgungswünsche, Wut, Sexualität) zu ermöglichen (Prinzip Deutung).

Strukturpathologie

Während die „klassischen“ neurotischen Erkrankungen durch die oben geschilderten Trieb-Abwehrkonflikte ausgelöst werden, zeigt sich daneben eine Krankheitskategorie, die sich hierdurch nicht erklären und behandeln lässt, die sog. Strukturpathologien. Diese Erkrankungen sind mehr global als situativ, entstehen nicht im Rahmen von Beziehungs- oder Lebenskrisen sondern allgemein unter (auch geringer) Belastung und kennzeichnen sich mehr durch Untersteuerung und emotionale Überflutung als durch Übersteuerung und Hemmung. Der vielleicht erste psychoanalytische Theoretiker, der auf diesen Unterschied hinwies, war Wilhelm Reich mit seiner Veröffentlichung „Der triebhafte Charakter“ (1925), vermutlich eine anonymisierte Selbstanalyse des wohl an einer Borderlinestörung erkrankten Arztes. Wo jedenfalls im Fall der Konfliktpathologie ein selektives Abwehrproblem vorliegt, zeigt sich hier entweder eine fehlende Abwehr oder eine rigide, aber brüchige globale Abwehr.

Psychodynamisch liegt die Ursache dieser Störungen in mangelhaft ausgeprägten Ich-Funktionen, vor allem regulativer Funktionen. Die Ich-Funktionen entwickeln sich normalerweise in der frühen Eltern-Baby-Beziehung durch zugewandte, interessierte Erwachsene, die v. a. fähig sind, die Unlustäußerungen des Kindes angemessen handelnd zu beantworten, sodass die negativen Affekte aufgefangen und beruhigt werden. Belastende Beziehungserfahrungen in diesen frühen Lebensabschnitten können noch nicht von einer psychischen Struktur aufgenommen und darin als Konfliktmuster gespeichert werden, da diese noch nicht besteht, sondern sie stören diese Struktur in ihrem Aufbau. Die strukturellen Funktionen werden nicht, wie es notwendig wäre, in zahllosen Interaktionen geweckt und eingeübt, sodass sie sich in den folgenden Jahren weiter entfalten könnten. Unlustvolle Affekte zeigen sich mangels Mentalisierungsfähigkeit noch sehr körpernah und sind dem Erleben daher unmittelbar zugänglich im Gegensatz zu den Konfliktpathologien, wo Unlustgefühle durch Abwehr gebunden sind.

Der OPD fasst vier Kategorien struktureller Fähigkeiten zusammen, die jeweils einen Subjekt- und einen Objektpol haben:

Defizite in diesen Fähigkeiten können zur Ausbildung psychischer Erkrankungen führen. In Abhängigkeit vom Schweregrad der strukturellen Beeinträchtigung werden ein höheres, mittleres und niedriges Strukturniveau unterschieden.

Rudolf fasst noch 4 Bewältigungsstrategien struktureller Störungen zusammen:

  • das schizoide Muster, gekennzeichnet durch emotionalen Rückzug und soziale Vermeidung
  • das narzisstische Muster, gekennzeichnet durch Grandiosität und Rücksichtslosigkeit
  • das histrionische Muster, gekennzeichnet durch Emotionalisierung und Sexualisierung
  • das zwanghafte leistungsorientierte Muster

Das therapeutische Vorgehen bei Strukturpathologien besteht vor allem in Übernahme von Hilfs-Ich-Funktionen, die durch den therapeutischen Prozess angeregt und verinnerlicht werden sollen, sowie in selektiv-authentischer Bezugnahme auf das im Hier und Jetzt konkret Erlebbare (Prinzip Antwort).

In einem weiteren Blogbeitrag gehe ich vertieft auf die Thematik Struktureller Störungen ein: Frühstörungen.

Trauma

Als dritte Kategorie neben Konflikt- und Strukturpathologie zeigen sich psychische Störungen, die durch traumatische Erlebnisse ausgelöst werden. Klinisch unterschieden werden das Monotrauma im Erwachsenenalter (Typ 1 Trauma, Akuttraumatisierung), das als „Situation außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem Menschen eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“ definiert ist, und kumulative Traumata in der Kindheit (Typ 2 Trauma, Komplextraumatisierung; s. auch meinen Blogbeitrag „Frühkindliche Traumata, überdauerndes Leiden“), zu denen vor allem Bindungstraumata wie psychischer oder physischer Mißbrauch durch Bezugspersonen zählen. Ein zusätzlicher wichtiger Faktor ist das Erleben völliger Hilflosigkeit und Ohnmacht in einer lebensbedrohlichen Situation.

Diese Traumata können in der Regel nicht integriert werden und verbleiben wie ein Fremdkörper im der Psyche. Sie sind abgespalten von weiten Bereichen des psychischen Lebens. Hierdurch werden Ich-Funktionen beeinträchtigt, im Gegensatz zur strukturellen Ich-Störung spricht man allerdings von einer funktionellen Ich-Störung, da die Ich-Funktionen nach Linderung der traumabedingten Symptomatik in der Regel wieder zur Verfügung stehen (sofern sie im Vorfeld ausgeprägt waren).

Symptomatisch kennzeichnend sind:

  • Intrusionen: einschießende Erinnerungen oder Erinnerungsfragmente, die als Wiedererleben mit Hier-und-Jetzt-Qualität und nicht als abgeschlossenes Ereignis der Vergangenheit erlebt werden.
  • Vermeidungsverhalten: Situationen, die Intrusionen triggern können, werden vermieden (z. B. Autofahren, öffentliche Plätze, Menschenmengen).
  • Hyperarousal: es besteht eine chronische vegetative Übererregbarkeit mit erhöhter Wachsamkeit (Hypervigilanz).

Daneben können ein spezielles Selbst- (Opferidentität, negativer Selbstwert) und Objekterleben (Dichotomie von Täter und Opfer) entstehen.

Ursächlich sind maladaptiv verarbeitete Erinnerungen. Wöller (2016) plädiert hier für die Einführung eines eigenen Modells in die psychodynamische Psychotherapie, das er Assoziationsmodell nennt. Angelehnt an das Modell der Adaptiven Informationsverarbeitung von F. Shapiro aus dem EMDR wird eine traumabedingte Störung des physiologischen Informationssystems angenommen, wodurch das traumatische Erlebnis nicht in ein assoziiertes adaptives Erinnerungsnetzwerk integriert, sondern dissoziiert und fragmentiert als Inseln im Gedächtnis abgelegt wird. Neurobiologisch ist hierfür ein traumabedingt hoher Glukokortikoidspiegel verantwortlich, der den Hippocampus – eine Struktur im Gehirn, die für Einordnung von Erfahrungen im expliziten deklarativen Gedächtnis sorgt – beeinträchtigt, wodurch die Sinnesmodalitäten der traumatischen Erfahrung (visuelle, auditive, olfaktorische, affektive und kinästhetische Reize) desintegriert gespeichert werden. Weiterhin ist der mediale präfrontale Kortex in seiner Funktion vermindert, der daher die Amygdala nicht regulieren kann, welche Stress- und Bedrohungserleben verstärkt und auf alle Trigger, die Elemente der traumatischen Situation enthalten, übergeneralisiert. Objektrepräsentanzen nutzt Wöller hier auch in einem erweiterten Sinn und bezieht Naturkatastrophen und Unfälle mit ein. „Das Aussetzen des Assoziationsvorganges hätte dann die Funktion, die zwar schwach ausgebildete, für die Bewältigung des Alltagslebens jedoch unentbehrliche hinreichend gute Repräsentanzenwelt vor einer möglichen Desintegration zu schützen und dem Selbst die Vorstellung eines sicheren, vorhersagbaren und geordneten Lebens zu erhalten.“

Sowohl Wöller als auch Rudolf äußern Bedenken hinsichtlich einer einseitigen Verwendung des Traumamodells in Psychotherapien:

  • Wöller: „So tendieren psychodynamische Psychotherapeuten nicht selten dazu, beim Auftreten von Traumaphänomenen unvermittelt die Ebene der psychodynamischen Hypothesenbildung zu verlassen und zur Erklärung des veränderten, nur noch ‚traumatherapeutischen‘ Vorgehens auf neurobiologische Modellvorstellungen zurückzugreifen, während ein Vorgehen nach dem Konflikt- oder Strukturmodell nicht mehr als zielführend angesehen wird. Dies impliziert zum einen die Gefahr von logischen Fehlschlüssen und Kategorienfehlern, die unvermeidlich sind, wenn neurobiologische Befunde unreflektiert auf klinische Situationen angewendet werden (Wottawa 1993), zum anderen die Gefahr, dass notwendige konflikt- oder strukturorientierte Interventionen unterbleiben (Reddemann 2011; Wöller 2013, 2014).“
  • Rudolf benennt einerseits die Überbewertung seitens einiger Therapeuten: „Es ist vorstellbar, dass insbesondere solche Therapeuten auf vermutete kindliche Traumen stoßen, die primär nicht davon ausgehen, dass sich im Leben vieler Patienten schlimme Dinge ereignet haben können. […] Ihnen erscheint dann eine überraschend mitgeteilte Belastungssituation als kindliches Trauma, das nun therapeutisch speziell fokussiert werden muss.“
  • Andererseits weist er auf eine Diskrepanz zwischen Diagnosestellung und Kriterienkatalog hin: „In einer Studie von Komo (2009) zeigte sich, dass nur bei 25% der als Traumafolgestörung verstandenen und traumatherapeutisch in der Richtlinienpsychotherapie behandelten Patienten die Symptom- und Ereigniskriterien einer Traumatisierung erfüllt waren.“
  • Wöller gibt Rudolf Recht: „Zu Recht wird eine Ausweitung traumatherapeutischer Methoden innerhalb der psychodynamischen Behandlungspraxis mit Sorge betrachtet, wenn sie zulasten der notwendigen konflikt- und strukturbezogenen Arbeit geht (Rudolf 2014).“

Das therapeutische Vorgehen bei Traumafolgestörungen zielt auf Assoziation der dissoziierten Erinnerung. Dafür wird ein spezielles Vorgehen empfohlen (Stabilisierung, Konfrontation, Integration), und es werden in der Regel eigene Methoden eingesetzt (z. B. EMDR, Psychodyamisch imaginative Traumatherapie nach Luise Reddemann).

Inzwischen habe ich Konzepte Psychodynamischer Traumatherapie tiefergehend hier dargestellt.

Verwendete Literatur:

Freud S. Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. 4  Auflage, Frankfurt: Fischer Verlag, 1991 (v. a. Bild oben rechts)

Herzog W, Kruse J, Wöller W. Psychosomatik. Erkennen – Erklären – Behandeln. 1. Auflage, Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG, 2017

Rudolf G. Psychodynamische Psychotherapie. Die Arbeit an Konflikt, Struktur und Trauma. 1. Auflage, Stuttgart: Schattauer Verlag, 2011

Wöller W. Assoziationsmodell. Drittes psychodynamisches Theoriemodell neben Konflikt- und Strukturmodell? Psychotherapeut 2016 · 61:66–71 DOI 10.1007/s00278-015-0076-x